Kultur-Clash
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Die internationale Kunst, Probleme auszusitzen
Manche Menschen lösen Probleme. Andere lassen sie einfach liegen – und schweigen.
Und ja, das macht mich wahnsinnig.
Ich habe das Ganze mittlerweile in mehreren Ländern beobachtet.
Und (unabhängig von der Nationalität) vor allem auch an Männern.
Beginnen wir vielleicht mit den Männern.
Ich mag sie. Sehr sogar. Aber ich sag mal so: Die Sache mit der Konfliktlösung haben sie nicht unbedingt erfunden. Da ist ordentlich Luft nach oben.
Keine Ahnung, woran es liegt, aber sobald es zwischenmenschlich knirscht, scheint immer dieselbe Reaktion einzusetzen: Schweigen – in allen erdenklichen Varianten.
Man wird ignoriert.
Es wird nicht geantwortet.
So getan, als hätte man nichts gehört.
Oder der Klassiker, der eigentlich verboten gehört: Ghosting.
Obendrein hatte ich es mit einer besonders trickreichen Variante eines Konfliktvermeiders zu tun: Er zeigte sich vordergründig gesprächsbereit, kam aber, wenn eine Entscheidung her musste, immer mit immer demselben Satz an:
„Lass mich darüber nachdenken und dir dann eine reflektierte Antwort geben.“
Bloß, die reflektierte Antwort kam dann nie. In der Regel spielte er den Ball an mich zurück und brach sein Schweigen mit einer Gegenfrage à la „Definiere bitte nochmal, was du genau meintest.“ What the fuck? Und für diese Antwort, die keine war, brauchte er eine Woche?
An anderer Stelle agierte er so „als wäre nix“, darauf hoffend, dass ich das schwindende Erinnerungsvermögen einer 150-Jährigen hätte.
Mein Crashkurs in Konfliktvermeidung weltweit
Ich glaube, das Ganze regt mich auch deshalb so auf, weil ich in jenen zwei Ländern, in denen ich mich im vergangenen Jahr am längsten aufgehalten habe, ebenfalls dieses Muster erlebt habe. Im großen Stil.
Ich liebe das Reisen. Aber die Kommunikationsmuster, die ich in Vietnam und Mexiko erlebt habe, wühlen auch das toleranteste Gemüt auf.
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Nicht falsch verstehen: Reisen ist was wunderbares. Andere Länder, andere Sitten – I love it. Aber die Kommunikationsmuster, die ich in Vietnam und Mexiko erlebt habe, wühlen auch das toleranteste Gemüt auf. Weil Schweigen nie einfach nur Schweigen ist. Es wirkt immer auch respektlos. Es triggert tief sitzende Urgefühle – dieses Grundbedürfnis, gesehen, gehört und ernst genommen zu werden. Und genau das fehlt in solchen Momenten komplett.

Vietnam ist top als Fotokulisse. Allerdings happert’s mitunter in der Kommunikation.

Bei Problemen erlebt man oft Stille … Stille wie abends auf einem Reisfeld.
Vietnam: Schnell beim Chatten, Ghosting bei Problemen
Die Vietnamesen sind wahre Meister im Probleme totschweigen. Es muss gar nicht mal ein „richtiges“ Problem sein. Ein Problem ist für sie oft schon eine Frage, auf die sie keine Antwort wissen.
Und ja, ich mag die Vietnamesen. Sie haben Humor, sie haben Style, sie sind effizient – um 5 Uhr früh aufstehen ist hier nichts Besonderes, sondern Nationalstolz.
Generell antworten sie verlässlich und oft in Sekundenschnelle. Viele Transportunternehmen, Geschäfte, Unterkünfte arbeiten auf Basis von Chatdiensten (Messenger, WhatsApp, Zalo etc.).
Nur nicht, wenn es ein Problem gibt. Dann herrscht Schweigen im Wald. Oder die Person versucht dir unter allen Umständen aus dem Weg zu gehen.
Mein vietnamesischer Vermieter war der netteste, zuvorkommendste Mensch.
Bis … ja, bis ich meine Unterkunft um einen Monat verlängern wollte.
Erst sagte er „Ja, das klappt“ und trug die Daten in den Buchungskalender ein.
Das Problem begann erst eine Woche später, als ich plötzlich darüber informiert wurde, dass die Unterkunft „leider schon gebucht sei“. Er habe einen Fehler gemacht und sich vertan. „Sorry.“
Innerhalb von einer Woche eine neue Bude aufstellen? Schwierig in der Hochsaison.
Also fragte ich, ob in seinen anderen Häusern etwas frei sei – er besitzt immerhin drei Immobilien mit vielen Apartments in der Stadt – und wenn ja, ab wann.
Antwort? Keine.
Kein „Leider nein.“
Kein „vielleicht später“.
Einfach: nichts.
Ich begann an mir zu zweifeln: Hatte ich ihn irgendwie verärgert? War ich ein schlechter Mensch oder ein Mietgast, den man loswerden wollte?
Aber offenbar war es das nicht. Als ich ihn ein paar Tage später auf der Straße sah, begrüßte er mich strahlend.
Meine Anfrage allerdings erwähnte er mit keinem Wort. Und als ihn darauf ansprach, schaut er nur zu Boden.
Nun ja, keine Antwort ist auch eine Antwort.

In Vietnams Alltag ist es laut. Nur wenn es wichtig ist, wird es verdächtig ruhig.

Ich im Tonstudio. Da begann das Hämmern gerade.
Tonstudio-Drama: Meditation trifft Schlagbohrhammer
Ähnliches Spiel neulich in einem Aufnahmestudio in Vietnam.
Ich habe auf Reisen nebenbei die Ausbildung zur Meditations-Trainerin gemacht und nehme hin und wieder geführte Meditationen in einem Tonstudio auf, um diese online zur Verfügung zu stellen (für alle, die das interessiert, die Aufnahmen können auf InsightTimer angehört werden, der Link ist HIER).
Jedenfalls: Ich buchte mich ein. Der Besitzer stellte mir Mikrofon und Aufnahmeregler ein und verabschiedete sich dann. Wir vereinbarten, dass ich mich melden würde, wenn ich fertig sei und er dann käme, um abzuschließen.
Ich legte los.
Nach zehn Minuten startete der Nachbar im Garten den Schlagbohrhammer.
Wummm – wummm – wummm.
Ich ging nach draußen und sah: Das schien ein größeres Projekt zu sein. An eine störungsfreie Aufnahme war nicht zu denken.
Also textete ich dem Besitzer des Studios: „Können Sie mir vielleicht sagen, wie lange der Nachbar bohren wird? Sonst komme ich lieber an einem anderen Tag wieder.“
Keine Antwort.
30 Minuten später: „Könnten Sie ihn bitte mal fragen? Vielleicht gehe ich was essen und komme später wieder, wenn das besser ist?“
Keine Antwort.
Wieder eine halbe Stunde später:
„Hallo? Er hämmert immer noch. Es wäre schön gewesen, im Vorfeld über die Baustelle informiert zu werden. Oder zumindest jetzt zu erfahren, wie lange das Ganze dauern wird.“
Keine Antwort.
Nach zwei Stunden gab ich auf. Meditativer Gleichmut? Keine Chance.
Wummm-wummm-wummm.
Aufnahme abbrechen. Löschen. Wieder von vorne beginnen.
„Bin fertig“, schrieb ich schließlich resigniert. Fertig war ich allerdings nur mit den Nerven, nicht mit der Aufnahme. „Geld liegt auf dem Tisch.“
Seine Antwort binnen S-E-K-U-N-D-E-N.
„Okay.“
Nein, nicht okay. Gar nicht okay. Der Typ hat mich zum letzten Mal gesehen.

In Mexiko ließ mich das Schweigen bei Konflikten meine Wohnung verlieren, ich musste zu einer Freundin ziehen.

Ein Altar zum Totengedenken in Mexiko. Ich habe kurz überlegt, einen für meine Immobilienmakler zu bauen, der sich kommunikationstechnisch tot stelle.. 🙂
Mexiko: Schweigender Erpressungsversuch
Jetzt könnte man sagen: Na ja, das ist halt Südostasien. Höflichkeitskultur. Die haben vielleicht nie gelernt, „Nein“ zu sagen. Und auch das Schulsystem ist oft nicht darauf ausgelegt, kreative und eigenständige Lösungen zu erdenken und zu kommunizieren.
Jedoch habe ich exakt dasselbe Problem am anderen Ende der Welt ebenfalls erlebt. In Mexiko.
Auch hier gilt: Ich bin ein großer Fan der Mexikaner. Sie sind herzlich, easygoing, hilfsbereit. Das Essen ist sowieso großartig.
Aber bei Problemen? Schlimmer als die Vietnamesen. Nada. Niente. Da scheinen viele Mexikaner plötzlich wie vom Erdbeben verschluckt.
Ein Immobilienmakler schoss diesbezüglich den Vogel ab. Und das nicht zu seinen Gunsten, wohlgemerkt.
Ich hatte für den Zeitraum von 100 Tagen eine Unterkunft gemietet. Es gab ein paar kleine Probleme zwischendrin: schmutzige Bettlaken beim Einzug, eine Überschwemmung am Balkon, immer wieder Ausfall des Internets.
Jedes Mal, wenn ich ihn kontaktierte – „Wann kriege ich neue Laken?“, „Wann wird die Überschwemmung gelöst?“ – dauerte es ewig, bis ich von ihm hörte.
Kurz: Ich war nicht mehr wirklich gut auf ihn zu sprechen und hoffte auf so wenig Probleme wie möglich für die verbleibende Zeit.
Plötzlich, an Tag 89 und einen Tag vor der letzten Mietzahlung, eine Nachricht von ihm:
„Ich erhöhe die Miete um 50 Prozent. Die letzten 10 Tage gelten jetzt als Urlaubsbuchung, da gilt ein anderer Tarif.“
Aus dem Nichts heraus.
Ich fiel aus allen Wolken.
Ich: „Darf ich fragen, warum? Das haben Sie nie erwähnt. In unserem Vertrag steht davon nichts.“
Schweigen.
„Ich zahle gerne die Summe, die wir vereinbart haben und die bisher gegolten hat. Aber definitiv nicht mehr. Wie wollen wir zur Geldübergabe vorgehen?“
Schweigen.
„Hallo?! Sie wollen Miete von mir, also lassen Sie uns reden. Das ist doch kindisch, nicht zu reagieren.“
Schweigen.
War er tot?!
So ging das, zwei Tage lang.
Da saß ich also in einem fremden Land – und etwas ratlos. Was tun? Konnte er mich delogieren, wenn ich die Erhöhung nicht zahlen würde?
Ich versuchte, ihn über eine gemeinsame Bekannte zu erreichen und ließ ihm ausrichten: „Ich ziehe aufgrund der unabgesprochenen Mieterhöhung vorzeitig aus und gehe zu einer Freundin.“
Plötzlich war er nicht mehr mundfaul – er redete zumindest mit der Bekannten und drohte, meine 500 Euro Kaution einzubehalten.
Auch die Bekannte war baff.
Sie versuchte, ihn zur Vernunft zu bringen.
Er bestrafte auch sie mit Schweigen.
Am Ende beschloss ich: Der Typ ist ein Ganove, ich will hier raus. Ich lasse mich nicht erpressen.
Ich schrieb ihm, dass ich den Besitzer der Wohnung kontaktieren und das direkt mit ihm klären würde. Denn meine Vermutung war: Der Besitzer wusste nichts von der Erhöhung, der Makler wollte das Geld selbst einstecken.
Und ich sollte Recht behalten.
Plötzlich konnte ich ausziehen. Bekam meine Kaution zurück.
Schweigen bringt nie was. außer Ärger. Es löst keine Probleme, es macht sie nur größer. Egal, wo auf der Welt.
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Was ich sagen will: Schweigen bringt nie was. Außer Ärger. Es löst kein Problem, es vertreibt nur Menschen – und manchmal kommt es teurer, als ein ehrliches Wort je gekostet hätte. Der Makler jedenfalls hat vielleicht 120 Euro mehr gemacht, für die 3 Nächte, die er mir zum erhöhten Preis verrechnet hat. Aber dafür hat er jetzt auch weniger Kunden. Miserable Abzocke spricht sich schnell herum. Just saying 🙂
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